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Fakten zur Aufführung 

IL BARBIERE DI SIVIGLIA
(Gioacchino Rossini)
12. Dezember 2010 (Premiere)

Theater Bielefeld


Points of Honor                      

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Arme Rosina - vom Regen in die Traufe

Immo Karaman und Fabian Posca gelang mit ihrem Barbiere di Siviglia ene Inszenierung, die in dieser Konsequenz nicht allzu häufig zu beobachten ist: ein völlig durchdachter, dabei höchst individueller Blick auf Rossinis Meisterwerk. Während andernorts häufig Arien und Ensembles in bezaubernde Bilder und/oder quirlige Komödienhektik umgesetzt werden, beherrscht hier die Konzentration auf Bewegung den Abend – völlig frei von jeglicher sinnloser Aktion.

Rossinis Komödie spielt in einer Stadt, deren Häuser nur aus Türen bestehen. Das bedeutet Platz für unendlich viele Auf- und Abtritte, die auch mit unglaublich traumwandlerischer Sicherheit im Beherrschen eines totalen Bühnengeschehens ausgenutzt werden.

Vor uns spielt sich quasi ein Stummfilm der Zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts ab. Karaman und Choreograph Posca konterkarieren den wilden Wahnsinn einer Rossini-Partitur mit extrem langsamen, bis ins Kleinste ausgefeilten, dem Stummfilm abgeschauten Bewegungen. Auf diese Weise wird Rossinis Musik als ebenso detailreich wahrgenommen wie das Spiel auf der Bühne. Das ist ein so seltenes wie bis ins Tiefste hinein berührendes Erlebnis.

Als besonders Ruhe verströmendes Moment wirkt eine hinzuerfundene Figur: der Herr Helmuth (Schauspieler Helmuth Westhausser agiert einfach ganz grandios), der wildes Parlando runterkocht, indem er die Szene einfach dank ruhig deklamierter Kommentare und zusammenfassender Worte (wie Pseudoübertitel) umwandelt.

Auch eine Stummfilm-Anleihe: der Graf Almaviva wandelt sich im Verlauf des Geschehens vollständig zu einem Charlie Chaplin. Das macht die Werbung um die angebetete Rosina umso rührender. Die jedoch trifft’s am Ende hart: saß sie zu Beginn beim fiesen Bartolo bevormundet hinter verschlossener Tür, so lässt am Ende auch Almaviva die Rolläden herunter – nur waren sie dieses Mal an einer reich verzierten, barocken Schlosstür angebracht. Das Ergebnis indes ist dasselbe.

Zu der konsequenten szenischen Umsetzung des Regiekonzepts tragen die Tänzer und Tänzerinnen der Ballettschule des Theaters und des Performing Arts Studio Bielefeld und die Darsteller der German Musical Academy Osnabrück absolut engagiert bei. Und auch der Herrenchor unter Hagen Enke fügt sich mit viel Freude ein.

Karamans so vehementem, beharrlich durchdachtem Engagement für Rossinis großartige Musik hätte man ein klein wenig mehr Entsprechung in der musikalischen Umsetzung gewünscht. Aber bei den Bielefelder Philharmonikern unter Leo Siberski wackelt es immer wieder mal bedenklich und man muss (wieder einmal) erkennen, dass Rossini eben doch nur scheinbar leichte Muse ist. Das Orchester wird sich sicher in den kommenden Aufführungen zu steigern wissen.

Biegsam und mit voller Stimme gibt Daniel Billings die Titelpartie, Cornelie Isenbürger stemmt die Rosina ohn’ Fehl und Tadel, während Eric Laporte (Almaviva) manchmal noch mit den anspruchsvollen Rossini-Koloraturen hadert. Jacek Janiszewski ist ein böser Vormund, während Torben Jürgens als Musiklehrer absolut glänzt.

Sünne Peters und Dirk Mestmacher komplettieren ein Ensemble aus fast ausnahmslos hauseigenen Kräften, das diese Inszenierung sehr gut stützt. Nur gelegentlich meldet sich der Wunsch, die Sängerinnen und Sänger mögen noch ein Mehr an Glanz verbreiten.

Ein Teil des Publikums hat offensichtlich vorweggenommene anspruchslose Silvesterunterhaltung erwartet. Die Buhrufe für die Regie jedenfalls war unakzeptabel. Das Gros hat verstanden und applaudierte für Bielefelder Verhältnisse überdurchschnittlich lange.

Christoph Schulte im Walde

 











Fotos: Matthias Stutte