Spurensuche?
Nach der unglückseligen Idomeneo-Diskussion steht die erste Kirsten Harms-Inszenierung an. Franchettis "Germania" (1902) als italienisch-wagnerische Deutung der Befreiungskriege nach 1800 stellt die Musiktheater-Frage nach dem "Warum?" Franchettis Musik lebt von dem Wagner-Mythos und den spätromantischen Impulsen. Renato Palumbo forciert das motivierte Orchester der Deutschen Oper Berlin zu dynamisch-perfektem Spiel, kostet die schwelgenden Klänge durchaus emotional-differenziert aus.
Mit Carlo Ventre und Bruno Caproni stehen sich zwei Rivalen um die geliebte Ricke (Lise Lindström) als Prototypen historischer Positionierung gegenüber. Der Federico Loewe Ventres besticht durch dicht-klangvollen Tenor und Caproni verleiht dem Carlo Worms einen hoch differenzierten Bariton. Lise Lindström vermittelt als Ricke ebenso lyrische Töne wie dramatische Höhen. Die Deutsche Oper bietet ein insgesamt hochklassiges Ensemble auf, das dem vergessenen Werk zu permanent hörenswertem Gesang verhilft!
Die Regie von Kirsten Harms lässt die Personen intensiv kommunizieren, setzt auf zeitgenössische Konventionen, findet aber nicht zu assoziationsreichem Spiel. "Spurensuche" - na klar, aber den Nachholbedarf an Kentnissen über die deutschen Befreiungskämpfe zu bedienen, reicht wohl nicht aus. Zentrale Themen wie Märtyrertod und Patriotismus werden nicht vertieft.
Bernd Damovskys spartanisch-ausdrucksstarke Bühne mit wenigen zeittypischen Requisiten und entsprechenden Kostümen kann da wenig mehr vermitteln.
Die Bismarck-Oper ist schwach besucht; doch verpassen die Fehlenden alles was eine "große Oper" ausmacht: schwelgende Musik, großes Singen, durchaus plakative Bühne. Das Haus applaudiert heftig - und gibt Hoffnung für weitere Zustimmung für das gebeutelte Haus. (frs)
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