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PSYCHOANALYSE
Franz Schreker knüpfte an spätromantische
Tendenzen an, entwickelte expressionistische Kompositionstechniken, erprobte
eine neue Leitmotivik, erinnerte an veristische Topoi, kooperierte mit
Schönberg, war aber auch sein Gegenpol. Mit dem "Fernen Klang" feierte
er ab 1912 riesige Erfolge, und seit den 70er Jahren bemühen sich viele
Bühnen um eine - begründete! - Renaissance. Nun ist dieser Impetus auch
in Berlin angekommen - und mit Michael Gielen, Peter Mussbach, Erich Wonder
ein Team höchster Reputation gefunden.
Michael Gielen arbeitet die Klangräume Schrekers mit der brillanten Staatskapelle
Berlin als imaginative Hörerlebnisse heraus, wechselt zwischen Pastellmalerei
und harten Schnitten, lässt Künstlerproblematik und Sexualität identifizierbar
werden!
Die Bühne Erich Wonders spielt mit Elementen des Wiener Jugendstils, zitiert
Klimt und Schnitzler, präsentiert Versatzstücke der 20er Jahre als irritierende
Spielräume.
Peter Mussbachs Regiekonzept macht aus dem Künstlerdrama - der Komponist
Fritz sucht den imaginativen Klang und verletzt dabei seine geliebte Grete
- ein Lehrstück der Psychoanalyse. Grete ist die psychotische Hysterikerin,
die Zustände ihrer Seelenqualen werden seziert. Mussbach verzichtet dabei
auf die Darstellung bewegender Gefühle, analysiert wie seinerzeit Freud
ein Objekt psychischer Identitätskrisen.
Da ist es ein wahrer Glücksfall, dass mit Anne Schwanewilms die Hauptdarstellerin
krankheitsbedingt ausfällt und durch die agierende Regieassistentin Katharina
Lang nebst am Proszenium singender Carola Höhn ersetzt werden muss: eine
zusätzliche Identitätsebene. Grete durchlebt gemäß Regiekonzept keine
Wandlungen, Carola Höhn verbleibt das klangschöne Wiedergeben komplizierter
Tonfolgen. Robert Künzli braucht einige Zeit, um die Emphase des scheiternden
Künstlers zu treffen. Das Ensemble beeindruckt durch disziplinierte Stimmkultur.
Große Teile des Publikums nutzen die Einführung im Apollo-Saal und nehmen
regen Anteil am folgenden Publikumsgespräch - sie erleben einen pointiert
formulierenden Michael Gielen und einen eher geschwätzigen Mussbach, dem
es einfach nicht gelingen will, seine klugen Ideen auf den Punkt zu formulieren.
(frs)
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