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Rosenarabella ohne Schatten
Langsam, nahezu vorsichtig nähert sich das homogen aufspielende Orchester der Deutschen Oper Berlin unter dem aufmerksam leitenden Andrew Litton der Strauss-spezifischen Sogkraft einer gnadenlos suggestiven Musik. Es sind lange, durch kalkulierte Eruptionen unterbrochene Anläufe zu schwelgenden Streicher-Piani – durchaus, im Strauss-Sinn, sentimental-betörend, die Zuhörer geradezu wehrlos ausliefernd. Das gelingt – je länger, desto intensiver – Dirigent und Musikern mit ungemein sicher-sensiblem Zusammenspiel zur Konstruktion eines elegant parfümierten Wohlklangs.
Marco Arturo Marelli schafft – mit sedierender Regie, einer opulent zwischen „Märchen“ und Realität changierenden Bühne und farbsymbolisch eingesetzten Licht-Effekten – eine Atmosphäre dubioser mystischer Verwicklungen. Doch entbehrt das Geschehen des Geheimnisvollen, weicht permanent aus in platte Konkretisierung, stellt die Protagonisten isoliert an die Rampe, rekapituliert die Hofmannsthal-Vorlage, setzt sich mit der k.u.k.-Poesie und ihrer eigentümlichen Mischung aus verquerer Lyrik und brachialer Wort-Radikalität (Waffen, Kampf, Gebieter, Dienerin...) nicht auseinander – vermittelt vielmehr eine Mixtur aus Rosenkavalier, Arabella und Frau ohne Schatten: blass und dekorativ-beliebig.
Für die Akteure eine heikle Aufgabe, sind sie doch in ihrer Darstellung der Beziehungen zwischen Menelas, Helena, Paris und der zaubernden Aithra weitgehend auf ihre stimmlichen Möglichkeiten verwiesen. Robert Chafin hat offenbar aktuelle Probleme mit den exaltierten Ausbrüchen des konfus-unorientierten Menelas, überzeugt jedoch mit den langen Bögen tenoraler Artikulation. Ricarda Merbeth gibt der reuig-neubeginnenden Helena viel Emotion in der beeindruckend-flexiblen Mittellage, kann jedoch in den vorgegebenen dramatischen Höhen zeitweilige Schärfen nicht vermeiden. Laura Aikin singt die Zauberin Aithra mit klarer Intonation, doch vermittelt sie nicht das mythisch-Geheimnisvolle dieser rätselhaften Figur. Ewa Wolak ist die alles-wissende Muschel mit beeindruckender Alt-Präsentation. Gesanglich ist das gesamte Ensemble der Deutschen Oper brillant – ohne allerdings emotionale Faszination zu vermitteln.
Das – neue – Publikum im Haus an der Bismarckstraße reagiert äußerst geduldig, goutiert musikalische Opulenz und sängerische Virtuosität, viele sind durchaus verstört durch die per Übertitel kommunizierten Hofmannsthal-Texte – dennoch: dankbarer Applaus am Schluss, kein Lamentieren, keine besserwisserische Krakeelerei. Offenbar setzt sich auch an der Deutschen Oper ein unbefangen-vorteilsfreies Publikum langsam durch. Wie schön! (frs)
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