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GRENZEN FÜR GÖTTER UND MENSCHEN
Wann hat man je eine so intensiv-nachdenkliche "Walküre" gesehen und gehört, wie sie Gottfried Pilz und Valery Gergiey
in St. Petersburg aus der Taufe hoben und in Baden-Badens stimmungsvollem
Festspielhaus als "Kostprobe" präsentierten! In einer kammerspiel-orientierten
Bühne - ein großer Mehrzweck-Tisch mit variablen Stühlen, Tüchern, metaphorischen
Symbolen und malendem Licht (Wladimir Lukasewitsch) - und verhalten-intimem
Spiel demonstriert Gottfried Pilz den tiefmenschlichen Gehalt des sooft
missverstandenen opus magnum Wagners: kein Mythenqualm, kein Übermensch,
keine Ideologieschmiede. Wagners Texte ernst genommen, ergibt das kommunikative
Spiel über die Grenzen der Götter. Die oft so zähflüssigen Dialoge Wotan-Fricka,
Wotan-Brünnhilde, Brünnhilde-Siegmund im zweiten Akt geraten zur intensiv-emotionalen
Kommunikation, argumentativ und nachdenklich.
Diese sängerische kommunikative Interpretation gelingt den Solisten der
Petersburger Oper ganz vortrefflich, allesamt überwältigend in den intensiven
piani, textverständlich (!) und mit enorm viel melos. Mlada Kudolei ist
eine überwältigte Sieglinde mit schönem Timbre; Alexei Steblianko wirkt
als "Cover" für Viktor Lutsiuk ein wenig verunsichert, zeigt aber in den
"Arien" durchaus seine stimmlichen Möglichkeiten; dem Wotan Mikail Kits
ist die Interpretation für die nicht-dröhnende Stimme ungemein sympathisch;
Svetlana Volkova gibt eine sensibel artikulierende Fricka, einschmeichelnd
im Duktus, ohne Schärfen in den zurückhaltenden Höhen; Olga Sergejevas
Brünnhilde überzeugt mit Stärken in der schwelgenden Mittellage, setzt
die Höhen kommunikativ ein. Eine Überraschung, darstellerisch und sängerisch
faszinierend umgesetzt: es gibt sechzehn Walküren, im attraktiven outfit
gehobener Salondamen.
Und Valery Gergiev - nicht nur Zugpferd für das privat finanzierte Festspielhaus
in Baden-Baden auch Publikumsliebling in Salzburg und worldwide - fasziniert
mit dem instrumentensicheren Orchester des Mariinsky-Theaters: ein neuer,
differenzierter Wagner-Klang ohne Schwulst, aber mit viel zurückhaltend-differenzierter
Aussagekraft - wunderbar!
Nach dem eher distanziert aufgenommenen ersten Akt geriet das internationale
Publikum in Baden-Baden in Ekstase; zurecht. Was allerdings im Festspielhaus
stört; nach Schließen des Vorhangs verlassen grüppchenweise die angereisten
Zuschauer den Riesenkubus. Dem Ereignis nicht angemessen, aber was soll
man tun? (frs)
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