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Fakten zur Aufführung 

TANNHÄUSER
(Richard Wagner)
29. Juli 2008 (Dernière)
(Premiere: 25. Juli 2008)

Festspielhaus Baden-Baden


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Musikalisches Faszinosum

Philippe Jordan und das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin eröffnen hoch-innovative Hör-Erlebnisse der Wagner-Partitur: Da ist nichts mit pathetischen Effekten, ganz zu schweigen von amalgamierendem Schwulst – da ist filigranes Zusammenspiel wahrzunehmen, da bestechen die Streicher mit ungewöhnlich einfühlsamem Klang, da fungieren die Bläser mit gestochenen Passagen, da faszinieren Spannung steigernde Pausen, da entstehen musikalische Charaktere in höchster Intensität.

Das spektakuläre Sänger-Ensemble nutzt die behutsam interpretierenden orchestralen Vorgaben mit hinreißendem Engagement. Frank van Aken beweist seine Ausdrucks-Möglichkeiten mit lyrischen Tönen, heldentenoralem Glanz, emotionalen Ausbrüchen und leidenschaftlicher Attitüde – ein grandioser Auftritt! Solveig Kringelborn ist mit ihrem ausdrucksstarken Sopran eine emotional-bewegende Elisabeth, mit elektrisierenden Höhen und ergreifenden Piani. Roman Trekel gibt dem Wolfram kraftvoll-ambivalente Statur – deklamatorisch perfekt, ungemein sicher in der Intonation, dabei mit überzeugendem Legato und intensivem Ausdruck. Waltraud Meier verleiht der Venus faszinierende Klangfülle, animierend in den agilen Höhen und den superben Tiefen – eine extraordinäre Demonstration stimmlicher Vollkommenheit! Mit Stephen Milling ist ein kernig-kommunikativer Landgraf zu hören; und die Sänger sind ausnahmslos bewundernswert präsent: Marcel Reijans als emphatischer Walther, Tom Fox als kraftvoller Biterolf, Florian Hoffmann und Andreas Hörl als eindringlich-prinzipientreue Heinrich und Reimar; dazu eine geheimnisvoll artikulierende Katherina Müller als Hirt --- und dann noch der Philharmonia Chor Wien, dem nie gehörte Pilger-Chöre gelingen, ohne Forcierungen, dafür mit verhaltener Kraft und ungewöhnlich differenziertem Ausdruck.

Raimund Bauer stellt eine imaginierende Riese-Wendeltreppe auf die Bühne, eine Bild-Welt von enormer symbolischer Kraft für die Verbindung von irdischem Leid und erlösender Ewigkeit. Nur: Diese Konstruktion bleibt bei allem ästhetischen Reiz beliebig, könnte in Baden-Baden die nächsten Festspiele dekorieren.

Und diese Beliebigkeit ist Resultat der eigentümlich harmlosen Inszenierung Nikolaus Lehnhoffs. Da geht es nicht um Künstlerdramen oder um revolutionären Aufbruch; da ist der Tannhäuser ein motzender Außenseiter, ohne Visionen, auf sich selbst bezogen, der schließlich den Weg unbegriffener Frömmigkeit einschlägt. Ein Plädoyer für „erlösende“ Spiritualität? Vielleicht, aber nicht überzeugend nachvollziehbar. Und in den mittelalterlich-Science-Fiction-kombinierenden Kostümen von Andrea Schmidt-Futterer bei weitgehend statuarischem Agieren verbleibt das ganze Unternehmen ein statisches Oratorium – mit wenigen Momenten emotionalen Bühnen-Handelns. Aber: Musik und Gesang kommunizieren das Sehnen nach Erlösung in höchster Intensität.

Das Publikum im vollbesetzten 2 500-Personen-Auditorium ist hochkonzentriert involviert, lässt sich von Musik und Gesang gefangen nehmen und feiert Orchester und Solisten mit hingebungsvollem Applaus. Die kolportierte Konkurrenz zu Bayreuth – sie ist konkrete Realität. (frs)