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Fakten zur Aufführung 

LA FANCIULLA DEL WEST
(Giacomo Puccini)
14. Dezember 2009
(Premiere: 2. Dezember 2009)

De Nederlandse Opera
Amsterdam


Points of Honor                      

Musik

Gesang

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Satire

Eine Bar mit Glücksspielautomaten, ein kitschiges Puppenheim, ein Autofriedhof mit einfahrender Showtreppe – Ikonen des amerikanischen Films; dazu malerische Rehe vor dem „Liebesnest“ (wie in Sirk-Filmen), Minnie als Vamp - und dies alles ironisch überstrahlt von bizarr-aggressiven Film-Bildern im Cinemascope-Format. In diesem lustvoll arrangierten Ambiente bewegen sich Karikaturen des american way of life: Nikolaus Lehnhoff kostet die Konstellationen phantasievoll aus, schafft eine spektakuläre Opern-Satire!

Raimund Bauers hinreißend kitschig-bunte Bühnenbauten mit total unerwartbaren Möglichkeiten zum Auf- und Abtreten (eine Art U-Bahn-Tunnel, eine klappbare Leiter zum Dach, die atemraubende Showtreppe) sind essentielle Voraussetzung des satirischen Geschehens; Jonas Gerberdings überdimensional projizierten Video-Bilder stimulieren beziehungsreiche Assoziationen.

Carlo Rizzi unterstreicht mit dem flott-unprätentiös musizierenden Nederlands Philharmonisch Orkest die von Puccini Anno 1910 integrierten nordamerikanischen Elemente, verweist auf geradezu prophetisch vorweggenomme Attitüden der Film-Musik in den 30er Jahren – lässt aber auch klischeehafte Passagen voll pathetischer Sentimentalität zu: so wie der „Puccini-Klang“ jahrzehntelang kommerzialisiert wurde. Ein faszinierendes hörbares Ereignis Musik gewordener beißender Ironie!

Zum Triumph des in Amsterdam so hoch gelobten Prinzips der Kooperation wird die agierende und sängerische Präsenz der Solisten – kongruent mit dem verzwickten Inszenierungskonzept, musikalisch mit viel Sinn für hintergründiger „Verfremdung“ – dabei permanent in selbstverständlicher Souveränität die sängerische Kompetenz demonstrierend: Eva-Maria Westbroek gibt die Minnie als erotisch gehemmte Gangsterbraut mit furiosem Ausdruck in den immer wieder geforderten exzentrischen Höhen, phrasiert die komplizierten Sprech-Gesang-Passagen bewundernswert ausdrucksvoll! Zoran Todorovich interpretiert den ambivalenten Gangster Johnson mit strahlendem Tenor, steigert sich immer wieder zu makellosen Spitzentönen – kein Wackeln, kein Kratzer; der viel gefragte Sänger – aus Detmold kommend! - ist auf dem Höhepunkt seiner stimmlichen Entwicklung! Lucio Gallo beeindruckt mit enormer Spannbreite seines charaktervollen Baritons als rabiater Sheriff Rance – bedrohend in der Aggressivität, aber auch nahezu balsamisch in den liebe-beschwörenden Passagen. Mit Roman Sadnik als knallharten Nick, Diogenes Randes als auftrumpfenden Banker Ashby und Stephen Gadd als renitenten Sonora sind großartige Sänger-Darsteller zu erleben - so wie die „Goldsucher“ differenzierte Rollenbilder abliefern – und der Koor van de Nederlandse Opera (Leitung Martin Wright) intensiv agiert und mit kollektivem Gesang überzeugt!

Das wie immer aufgeschlossene Publikum im ausverkauften Muziektheater Amsterdam geht von Anfang an auf den satirisch-kritischen Impetus ein, reagiert permanent auf die Ironie, spendet Szenen-Applaus bei überraschenden optischen Effekten – feiert alle Beteiligten mit den in Holland üblichen standing ovations und vielen Jubel-Schreien!

Ein Kuriosum: Da wird im Stück immer wieder „Zigarren für alle!“ gerufen, da ist die Zigarre ein running gag – aber niemals steigen Qualmwolken auf: In Amsterdam hat das absolute Rauchverbot offenbar auch auf der Bühne Gültigkeit! Fragt sich, wann übers Rauchen auch nicht mehr öffentlich gesprochen werden darf?

Franz R. Stuke

 





 
Fotos: Nederlandse Opera