Fundus   Kommentar    Backstage     Medien     Medientipps     Kontakt     Impressum    Wir über uns  
   Dossier    Kleinanzeigen     Links     Facebook     Partner von DuMont Reiseverlag  
     

NEWS 

Alles anders als geplant


 
 

zurück       Leserbrief

Vermittlerin der Gefühle

Die junge Elena Stikhina hatte nicht geplant, als Opernsängerin ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, aber nun singt sie Rollen wie Tosca und Micaela. Auf diesem Weg versucht sie, das Publikum mit großen Gefühlen zu überwältigen – so wie es ihr selbst auch passiert ist.

Tschaikowskys Mazeppa gehört nicht unbedingt zum gängigen Opernrepertoire und schon gar nicht zu den Werken, die als Einstiegsoper für junge Menschen bekannt sind. Auch die junge Elena empfindet die Handlung sehr irritierend. Doch das Erlebnis hinterlässt Spuren: „Ich war fasziniert von den großen und schönen Stimmen und von den Gefühlen, die sie entfesselten“, erinnert sich Stikhina noch heute an ihren ersten Opernbesuch. Nun befindet sich die Russin selbst in der Position, mit ihrer Stimme das Publikum zu berühren. Jüngstes Beispiel ist ihr Rollendebüt als Tosca beim diesjährigen Opernfestival Gut Immling. Die Sängerin Floria Tosca ist für jede Sopranistin eine Herausforderung. Stikhina sieht sie als eine überraschend typische Frau. „Sie sehnt sich wie jede Frau nach Liebe und Erfolg. Aber sie verliert ihre klare Linie zwischen dem normalen Leben und dem Theater, gibt den Gefühlen letztendlich die Oberhand, so dass sie letztendlich die große Verliererin der Geschichte ist“, beschreibt sie die Partie. Das darf der Sängerin selbst aber nicht passieren. Noch vor dem dreißigsten Lebensjahr als Tosca zu debütieren, da verdient die Künstlerin selbst großen Respekt. Bei der Einstudierung und Bewältigung hilft ihr aber ihre erste musikalische Ausbildung. „Ich bin auch ausgebildete Pianistin und betrachte alle Rollen auch vom musikalischen Aspekt her. Ich glaube, dass Komponisten wie Puccini einen starken Sinn für das Drama haben und es schon direkt in die Musik hineinschreiben. Wir Sänger dürfen also gar keine Barriere zwischen Musik und Publikum bilden, sondern sollen dazwischen vermitteln.“

Der Glaube an die große Liebe

Eine glaubhafte Vermittlerin zu sein, bescheinigen ihr nicht nur die Kritiken, sondern auch das Publikum beim Gesangswettbewerb Competizione dell’opera 2014 in Linz. Sie gewinnt dort den erstmals ausgeschriebenen Publikumspreis und belegt obendrein auch den ersten Platz. Mit der Leonore aus Verdis Il trovatore lässt sie die anderen Finalisten hinter sich. Stikhina liebt diesen Zauber, mit dem manche Arien und Partien umgeben sind. „Für Tenöre und Soprane wurden viele dieser großen und tragischen Partien geschrieben, bei denen das Publikum die ganz großen Gefühle erleben kann. Dazu kommt, dass viele dieser Arien ganz große Ohrwürmer sind, wie zum Beispiel die der Königin der Nacht, O mio babbino caro oder auch Casta diva.“ Von Bellinis Norma träumt sie auf jeden Fall, aber noch hat sie genügend andere Aufgaben. Am Salzburger Landestheater steht sie im Oktober als Micaela in Bizets Carmen auf der Bühne. Die Symbiose, die sie gerne auf der Bühne zu ihrem Charakter eingeht, fällt ihr bei einer Partie besonders einfach: Die Tatjana aus Eugen Onegin ist ihre Lieblingsrolle. „Sie glaubt an die große Liebe, wie ich selber auch, obwohl ihre Gefühle sie verletzen können. Tatjana ist ein so ehrlicher und unschuldiger Mensch.“

Glücklicher Einstieg

Dass das Reisen – sie liebt es, neue Kulturen zu erforschen – zu den Hobbies der Sängerin gehört, macht ihr den schwierigen Beruf einfacher. Das Ensemblemitglied der Staatsoper Primorsky in Vladivostok wollte ursprünglich gar nicht Sängerin werden. Aber das ist längst Vergangenheit. „Ich könnte mir keinen anderen Beruf vorstellen. Die Musik ist meine große Liebe, die ich niemals aufgeben könnte. Daher schätze ich mich als sehr glücklicher Mensch.“ Glücklich und etwas ungeplant verläuft auch ihr Einstieg in das Geschäft als Opernsängerin. Zwei Wochen vor der Premiere wird Elena Stikhina vom Theater Vladivostok für die Partie der Nedda in I Pagliacci angefragt. „Es waren auch richtig renommierte Sänger wie Vladimir Galouzine dabei“, schildert sie die Situation. „Also eine richtig aufregende Erfahrung. Allerdings konnte und musste ich mich dadurch weiter entwickeln.“ Mazeppa als erste Oper, Nedda als erste Rolle – ungewohnte Erfahrungen scheinen den Weg von Elena Stikhina positiv voranzutreiben. So darf es gerne weiter gehen.

Christoph Broermann

 


Mit Nedda fing alles an. Ihr erster
Besuch in der Oper irritierte Elena
Stikhina. Heute begeistert sie das
Publikum.


An der Staatsoper Vladivostok brilliert die Sängerin als Tosca.

Die ganz große Liebe ist das Thema
von Elena Stikhina auf der Bühne. Hier
ist sie die ganz andere Tosca.


Neben Vladimir Chmelo als Scarpia
beweist Stikhina einmal mehr ihre
Hingabe an einen Beruf, den sie
dereinst nicht für möglich hielt.