Klassik trifft Tourismus
Alljährlich in den ersten beiden Augustwochen findet im Städtchen Menton an der Côte d’Azur das Festival de Musique statt. Das sind Festspiele unter freiem Himmel mit oft großen Namen.
Menton ist eine kleine Stadt mit knapp 30.000 Einwohnern an der französisch-italienischen Grenze, die in erster Linie vom Tourismus lebt. Aufgrund ihrer geschützten Lage gilt sie als die wärmste Stadt der Côte d’Azur. Mindestens einmal im Jahr wird es dort richtig heiß.
In mildes Weiß taucht der Vollmond die Wellen in der Bucht von Menton, Kerzen zieren die Barock-Fassade der Kathedrale St. Michel. Auf dem Platz vor der Kirche, eingerahmt von barocken Häusern, sowie auf den Treppen weiter zur Altstadt den Hügel hinauf nimmt das Festivalpublikum Platz. Es wird sogleich von der Romantik, der simplen Schönheit des Platzes, dem Ambiente und dem Ausblick gefangen genommen. Es ist ein magischer Ort mit einer ausgezeichneten natürlichen Akustik. „Ein wahrer Konzertsaal unter freiem Himmel, der die Künstler inspiriert“, schwärmt Paul Emmanuel Thomas, Künstlerischer Leiter des Festivals.
Seit 65 Jahren findet das Festival de Musique statt, das zu den ältesten und renommiertesten Festivals in Frankreich zählt. Alljährlich werden im August große Interpreten, wahre Legenden sowie Kammermusikensembles von internationalem Rang eingeladen. Im musikalischen Programm gibt es sowohl Neues zu entdecken als auch Bekanntes in neuer Ausgestaltung wiederzutreffen. Gidon Kremer oder Nelson Freire sind dem Festival über viele Jahre verbunden. In diesem Jahr kommen der gefeierte polnische Tenor Piotr Beczala mit seiner lyrischen Interpretation von Schumanns Dichterliebe sowie Simone Kermes mit ihrem Programm barocker Kastratenarien hinzu. Das Duo Igudesman und Joo sind zwei ausgezeichnete Musiker, die ihren Konzertabend kabarettistisch humorvoll gestalten.
Klassik darf Spaß machen
Slapstickartig geht das Duo an seine Aufführung klassischer Musik heran. Der Koreaner Hyung Ki Joo ist Pianist, aber auch seine tiefe Stimme kann sich hören lassen. Der Russe Aleksey Igudesman ist Geiger, Komponist und Arrangeur, aber auch ein talentierter Schauspieler mit britischer Erscheinung und Humor. Getroffen haben sich die beiden an der Yehudi-Menuhin-School und gemeinsam ihr humoristisches künstlerisches Programm entwickelt, mit dem sie weltweit große Erfolge feiern. Ganz natürlich wird aus einer Romanze von Rachmaninow ein Tangoklang, aus Gershwin swingender Jazz. Stargast im Publikum bei ihrem Konzertabend ist Sir Roger Moore, und seine Filmfigur James Bond zieht auf der Bühne ein. Geschickt werden die bekannten Titelmelodien auf ihre klassischen Wurzeln zurückgeführt und gestenreich vorgebracht. Es wird viel Show und Theater gemacht, aber auch hochwertige Musik gespielt, und das anspruchsvolle Publikum lässt sich am Ende zu Ovationen hinreißen.
Der Mond ist in der Zwischenzeit weitergezogen, und das Publikum verlässt über die große Freitreppe den besonderen Ort mit dem klingenden Namen Parvis de la Basilique Saint Michel Archange, nicht ohne noch mal bei dem Blick über die Altstadt aufs Meer zu verweilen und die südliche Atmosphäre in sich aufzunehmen.
Helmut Pitsch, 21.8.2104
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