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 DVD-Besprechung

The Rake's Progress

31.1.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Gesang

Regie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Well, well

Die Kupferstichserie von William Hogarth inspirierte Igor Stravinsky zu seiner abendfüllenden Oper The Rake`s Progress. Ausschnitte dieser Kupferstichserie verwendet Aufnahme-Regisseur Dave Heather, um die Szenenwechsel für das Publikum am Fernsehen attraktiver zu machen. 1977 wurde die Aufführung bei den Festspielen in Glyndebourne mitgeschnitten und wird nun beim Label Arthaus wieder veröffentlicht. Typisch für diese Aufnahmezeit sind Ton- und Kameraqualität. Da muss man schon mal einige Unschärfen im Bild in Kauf nehmen und die dunklen Orchestertöne rumpeln etwas zu sehr. Wie so oft bei den frühen Mitschnitten aus Glyndebourne scheinen die Sänger für die Kamera zu singen, der sie mit direktem Blick begegnen. Insgesamt kann man mit dem aufgezeichneten Ergebnis aber gut leben.

Ebenso auch mit der szenischen Umsetzung von John Cox. Von einer Regie, wie man sie angesichts der Handlung heute erwarten dürfte, ist man 1977 noch weit entfernt. Doch ist selbst das Freudenhaus, in dem Tom Rakewell beginnt, sein Geld zu verprassen, so angedeutet, dass es jeder versteht und die DVD gleichzeitig die FSK 0 nicht verliert. Grund dafür ist auch die bunte Bilderwelt von David Hockney. Die detaillierten Bühnenbilder überzeugen durch zügige Verwandlungsmöglichkeiten. Schön schaurig ist der Friedhof mit dem Sarg, durch den Nick Shadow in die Hölle hinabfährt. Hockneys Kostüme sind an den englischen Barock angelehnt und dabei gleichzeitig bunt, bis an die Grenze zum Schrillen. Durch dieses fast comichafte Element wird jeder inhaltlicher Abgrund etwas entschärft, ohne dass die Aussage dabei unter den Tisch fällt.

Auch John Cox vermeidet jeglichen Überaktionismus, weiß aber sehr wohl die Figuren auf der Bühne zu bewegen. Die sind ganz im Sinne des lehrhaften Charakters des Werkes klar und deutlich gezeichnet. So kommt auch keine Langeweile auf, denn die Sängerdarsteller agieren mit großem Selbstverständnis. Die große Operngeste wird dabei oft gewollt eingesetzt, und keiner macht das so überzeugend wie Samuel Ramey. Der diabolische Nick Shadow ist sicherlich eine seiner besten Rollen. In jedem Wort klingt die Arroganz des Bösen durch. Er muss nur die beiden Worte Well, well singen und lässt den Zuschauer wissen, dass er sein Ziel erreicht hat. Das teuflische Funkeln in seinen Augen, der höhnisch-wissend hochgezogene Mundwinkel und die eleganten Bewegungen machen diesen Nick Shadow nicht zu einem billigen Schurken, sondern zu einem gefährlichen Verführer mit einer hervorragenden Stimme, die jeden oberflächlichen Effekt vermeidet. Leo Goeke besitzt für den naiven Träumer Tom Rakewell nicht nur einen angenehmen, sehr gut auf dem Körper sitzenden Tenor, sondern auch dazu eine gute Mimik, die es ihm gestattet, viele Bewusstseinszustände widerzuspiegeln. Besonders komisch ist der genervte Ausdruck angesichts seiner skurrilen Frau Baba the Turk, deren Geschwätz schon nach wenigen Sekunden wirklich grausam ist. Rosalind Elias spielt und singt diese Rolle mit sichtbarem Vergnügen am Rand der extrovertierten Extravaganz. Felicity Lott fällt nur in ein paar spröden Höhen aus ihrer ansonsten sehr liebevoll gesungenen Rolle der Anne Truelove. Die bedingungslose, vielleicht ein wenig naive Liebe spiegelt sich genau in ihrem lyrischen Sopran wieder. Fast etwas überbesetzt ist der wie immer zuverlässige Richard Van Allan als ihr Bühnenvater Truelove. John Fryatt gibt den Auktionär mit herrlich gellendem Tenor, der zusammen mit dem großartigen Glyndebourne Opera Chorus eine höchst unterhaltsame Szene im dritten Akt auf die Bühne bringt.

Nur Positives gibt es auch vom London Philharmonic Orchestra zu vermelden, das unter Bernard Haitink prachtvoll aufspielt. Da hört man das ganz eigene Element von Stravinskys Harmonien-Auslegung genau so deutlich wie die Nähe zu barocken Einlagen, wie sie von Händel und Mozart stammen könnten. Durch diese Interpretation wird die gute Aufnahme so richtig rund. Leider bekommt man vom Schlussapplaus nur ein akustisches Zeugnis, denn das Publikum spielt auf dieser DVD nur eine sehr kleine Rolle. Belehrt und unterhalten wird hier nur der Zuschauer zuhause.

Christoph Broermann

Fotos: Arthaus Musik