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 DVD-Besprechung

Lac

10.11.2014

 

 

Points of Honor                      

Musik

Tanz

Choreografie

Bühne

Publikum

Kamera

Ton

Chat-Faktor


Cover

 

 

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Nicht die Hälfte

Was hat dieses Stück gelitten! Pjotr Iljitsch Tschaikowski schuf musikalisch ein, wenn nicht das Meisterwerk des klassischen Balletts. Schon in der Uraufführung des Moskauer Bolschoi-Theaters in der Inszenierung von Wenzel Julius Reisinger 1877 wurde das Werk verstümmelt. Trotzdem hat es bis heute nichts von seiner Faszination verloren. Und eine unendliche Vielzahl von Interpretationen genossen oder eben doch – erlitten. Allzu gern werden bis heute die extrem schwierigen Passagen vorsichtshalber gestrichen. Da entsteht ein Durchschnitt, der allzu oft auch noch vom Publikum bejubelt wird, so lange nur das Allegro moderato aus den Schwanentänzen des zweiten Akts ertönt, übrigens auch Gegenstand zahlreicher Parodien.

Während C Major eine Fassung der Wiener Staatsoper von Schwanensee als DVD auf den Markt bringt, die jenseits des Irdischen erscheint, kontert Opus Arte mit LAC – After Swan Lake. Die Ausstattung der DVD ist ebenso billig wie die von C Major, wenn man davon absieht, dass das Begleitheft noch liebloser gestaltet ist. Ist auf dem Cover noch verkündet, dass es sich bei LAC um eine Choreografie After Swan Lake handelt, also möglicherweise eine Weiterentwicklung – auch wenn man sich fragt, ob das möglich ist – wird auf Seite drei des Begleitheftes mit based on Swan Lake klar, dass hier lediglich eine weitere Version von Schwanensee auf den Markt geworfen wird.

Modernisierungsversuche sind seit jeher legitim, wenn sie dem Sujet etwas Neues hinzuzufügen haben. Choreograf Jean-Christophe Maillot versäumt das. Mit den Kostümen von Philippe Guillotel – Federflügel an den Handgelenken – gelingt es nicht, über die Schwächen der Tanzgestaltung hinwegzutäuschen. Die eigentliche Raffinesse dieses Balletts wird zerhackt. Odette wird von Anja Berend getanzt, Odile – nicht. Die wird von April Ball gestaltet. Die Schwäche der Inszenierung liegt nicht in der Kunstfertigkeit der Akteure, sondern in der Choreografie von Maillot.

Das Märchen vom Schwanenmädchen bezieht seine Kraft im klassischen Ballett nicht aus der Handlung, sondern aus der Emotion. Die entsteht aus der kleinteiligen, virtuosen Beweglichkeit von Balletttänzern. Und nicht aus dem Wackeln von Federn allüberall. Was man vielleicht noch als akzeptable Lösung für eine durchschnittliche Leistung des Choreografen hinnehmen möchte, macht die Kameraführung kaputt.

Wenn Tänzer aus dem Bild fallen und die Bildführung Schwindel erzeugt, weil die Kamera allzu schnell an den Tänzern vorbeizieht, müssen Dilettanten am Werk sein. Dann hilft auch die sterile Ästhetik nicht, die das Bühnenbild von Ernest Pigmont-Ernest vermittelt.

Das ist eine DVD, die die Welt nicht braucht.

Michael S. Zerban

Fotos: Opus arte