So was in der Art (Terézia Mora)
10. Mai 2003 (Premiere)
RuhrTriennale
(Mülheim, Stadthalle)
Rein in den Wald, raus aus dem Wald
Rein in den Wald müssen sechs Knaben, mehr oder weniger Waisen, um pfadfinderisch
zu lernen, wie sie zu wertvollen Mitgliedern der Gemeinschaft werden: ehrlich,
nützlich und dem Dienst für den Frieden verpflichtet. Also genau das, was
pubertierende Jungs auf dem Weg ins Erwachsenenleben eher wenig interessiert.
Stattdessen begegnen die Waisenknaben dem gesellschaftlichen Formwillen
mit Jungenstreichen, Gewaltexzessen und unkontrollierter Triebhaftigkeit,
die letztlich zerstört, was Hoffnung bieten könnte: die Liebe, das Mädchen.
Das erste Theaterstück der Bachmann-Preisträgerin Terézia Mora ist eine
Auftragsarbeit der Ruhrtriennale in Kooperation mit den Mülheimer Theatertagen.
Mora hat sich das ungewöhnliche Sujet mit Kraft und schonungslosem Blick
erschrieben. Es ist ein tragisches Stück entstanden, aus dem Regisseur Kay
Voges selbstbewusst einen fragilen Balanceakt zwischen Tragödie und Komödie
geschaffen hat. Eine gelungene Regiearbeit für ein eher seltenes, aber unerwartet
lohnenswertes Erkenntnis- und Theaterthema. Die Bühnengestaltung ermöglicht
trotz Schuhkartonstruktur mit geschlossener (Spiegel-) Decke und Neonröhren
ein brüchiges Waldambiente: Mulchboden, Wasserbecken, Erdloch. Und über
allem ein kräftiger Hauch von Verrottung. Die Schauspieler, alles gestandene
Männer, finden trotz der erheblichen Altersdifferenz zu ihren Figuren, zu
einer bewundernswerten Einlassung. Und es ist tatsächlich vor allem Schauspielkunst,
die ihnen das ermöglicht - und gewiss nicht das klischierte Kind im Manne.
Man schwitzt und ekelt, sucht und lacht und schwiemelt mit ihnen. Und möchte
ihnen zurufen: jetzt aber raus aus dem Wald, hinein ins schöne Erwachsenenleben.
Aber man traut sich dann doch nicht. Natürlich nur aus reiner Publikumshöflichkeit.
(cr)
www.opernnetz.de - berichtet,
kommentiert und bietet Gelegenheit zum Feedback. Das Internet-Kommunikationsangebot
wendet sich an Opern-Fans und Opern-Profis. Im Mittelpunkt: Kontinuierliche
Berichte über herausragende Opern-Produktionen und den faszinierenden
Opern-Alltag.
|