Johanna Wanka Einerseits die Erkenntnis, dass es zwei interessante Vorgängermodelle gibt: zum einen das Sächsische Kulturraumgesetz und zum anderen die von mir selbst gemachten Erfahrungen in Brandenburg mit dem Kulturentwicklungsplan Brandenburg (KEP), dem Kulturatlas Brandenburg und daraus resultierend die Kulturentwicklungskonzeption Brandenburg. Andererseits aber auch die Tatsache, dass in Niedersachsen auf kommunaler Ebene bereits frühzeitig an Kulturentwicklungsplänen gearbeitet wurde, beispielsweise in Osnabrück und Göttingen. Für Niedersachsen haben wir nun ein neues Modell für ein diskursives und partizipatives Kulturentwicklungskonzept (KEK) entwickelt, in dessen Mittelpunkt die Beteiligung der unterschiedlichsten Kulturfachverbände sowie weiterer gesellschaftlich relevanter Gruppen stehen, zum Beispiel die niedersächsischen Kulturstiftungen, Kirchen und Regionsgemeinschaften oder die Kommunalen Spitzenverbände.
Opernnetz Ein wichtiges Ziel der Initiative scheint es zu sein, Synergien zwischen kulturellen Einrichtungen zu schaffen, um effektiver und erfolgreicher arbeiten zu können. Wo sehen Sie das größte noch auszuschöpfende Potenzial, um in Niedersachsen künftig noch besser und effizienter arbeiten zu können?
Wanka Kulturpolitik in Niedersachsen ist eng verbunden mit der Entstehung des Landes 1946 aus den vier ehemals selbstständigen Ländern Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe. Daraus resultiert eine niedersächsische Besonderheit für die Kulturförderung: der Artikel 72 der Niedersächsischen Verfassung. Dieser stellt die kulturellen Belange der ehemaligen Länder Hannover, Oldenburg, Braunschweig und Schaumburg-Lippe unter besonderen Bestandsschutz. Entsprechend dieser „Traditionsklausel“ werden die Staatstheater Oldenburg, Braunschweig und Hannover, die Landesbibliothek Oldenburg, die Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel, das Staatsarchiv Wolfenbüttel und die sechs Landesmuseen in Oldenburg, Braunschweig und Hannover vom Land Niedersachsen mit erheblichen Mitteln gefördert. Das ist einerseits ein „Quasikulturgesetz“, das viele Kulturschaffende immer wieder einfordern, andererseits ist damit ein großer Teil des Kulturhaushaltes gebunden. Gestaltungsspielräume und neue Schwerpunkte können aber nur gemeinsam gefunden beziehungsweise entwickelt werden. Ich hoffe, dass im Laufe des Prozesses deutlich wird, wo für Niedersachsen im Bereich der kulturellen Entwicklung längerfristig Chancen liegen und sich somit insgesamt auch ein stärkeres kulturelles Bewusstsein für Niedersachsen herausbildet.
Mit Konsultationen und regionalen Kulturforen im Rahmen von KEK Niedersachsen, die in dieser Form bundesweit einmalig sind, wollen wir umfassend über die Entwicklungschancen niedersächsischer Kultur und deren Umsetzung sprechen. Gleichzeitig lassen wir diesen Prozess wissenschaftlich begleiten. Dazu gehört auch die Teilnahme am bundesweiten InterKultur-Barometer, dessen Ergebnisse wir im April dieses Jahres in Niedersachen präsentieren werden. Ebenso gehören hierzu die Erstellung eines Kulturmonitorings für Niedersachsen sowie einer Studie über Kulturberufe in Niedersachsen.
Opernnetz Die Initiative berührt sicher grundsätzliche Fragen, die nicht nur lokale beziehungsweise regionale Bedeutung in Niedersachsen haben. Verstehen Sie das Kulturentwicklungskonzept auch als ein Modellprojekt für andere Bundesländer, denken Sie vielleicht schon in ganz weiter Ferne an eine flächendeckende bundesweite Maßnahme?
Wanka Erst einmal wollen wir in Niedersachsen und mit den Niedersachsen über Chancen und Möglichkeiten von Kultur sprechen. Wir haben KEK Niedersachsen bis Ende 2013 geplant und wollen dann Bilanz ziehen und überlegen, ob und wie dieser Prozess fortgeführt werden kann. Selbstverständlich aber freue ich mich, wenn andere Bundesländer unsere Aktivitäten wertschätzen und über ähnliche Projekte nachdenken.
Die Fragen stellte Christian Schütte am 9.3.2012.