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BACKSTAGE

3 FRAGEN-3 ANTWORTEN


Werner P. Seiferth

Der Sänger, Regisseur und Theaterleiter feiert am 20. Oktober 2014 seinen 75. Geburtstag. Seiferth, geboren in Wiedemar bei Leipzig, studierte in Leipzig privat Klavier, Orgel und Gesang und Musiktheorie. Später absolvierte er einige Semester Kulturwissenschaft an der Universität Leipzig. Von 1958 an war er an den Theatern Halle, Meiningen, Borna, Karl-Marx-Stadt, Stralsund als Sänger, Regieassistent, Regisseur und Oberspielleiter tätig.1980 wechselte er zunächst als Orchesterdirektor an das Metropoltheater Berlin, dem er bis 1997 verbunden blieb, von 1990 bis 1996 als Intendant. Seiferth lebt heute in der Nähe von Berlin.


 

Backstage-Archiv

Das Backstage-Archiv ist alphabetisch nach den Nachnamen der Gesprächspartner geordnet.

 

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„Ich bin zufrieden und dankbar“

Richard Wagner und die DDR – fürwahr eine komplexe, immer kontroverse und stets polarisierende Beziehung. Als markante Geschehnisse sind vor allem die ersten Dessauer Wagner-Festwochen 1953 als Gegenpol zu „Neubayreuth“ und die legendäre Ring-Produktion von 1976 bekannt, die der Regisseur Joachim Herz am Leipziger Opernhaus herausbrachte. In deren Folge wurde der Komponist von den Chefideologen der Einheitspartei für gesellschaftsfähig im Sinne des DDR-Sozialismus erklärt. Jener Wagner also, der in der ideologischen Debatte um seine Person ab 1958 in der Zeitschrift Theater der Zeit noch hatte diskreditiert werden sollen.

Solche und viele weitere – bislang nur wenigen Insidern vertraute – Fakten und Hintergründe hat Werner P. Seiferth in akribischer, jahrelanger Arbeit zusammengetragen. In seinem 2012 im Sax-Verlag erschienenen Buch Richard Wagner in der DDR - Versuch einer Bilanz hat der leidenschaftliche Theatermann über 6.000 Aufführungen und 300 Inszenierungen erfasst und dokumentiert, vom Tannhäuser in Chemnitz am 24. 2.1946, der ersten Wagner-Aufführung nach Ende des Krieges, bis zum Siegfried am 6. 1.1990 in Magdeburg.

Seiferths Veröffentlichung – ein Monolith in den äußerst überschaubaren Zeugnissen einer Wagner-Forschung in der DDR – wird über die Gegenwart hinaus Wirkung entfalten. Nicht zuletzt durch die Reaktionen, die seine Bilanz ausgelöst hat und weiter erfahren wird.

Opernnetz In Ihrem Buch Richard Wagner in der DDR - Versuch einer Bilanz haben Sie mit der profunden Kompetenz der Innensicht die im Westen kolportierte Annahme widerlegt, Wagner sei zuvörderst das Objekt einer platten ideologischen Instrumentalisierung durch den SED-Staat gewesen. Wie ist denn letztlich das Spektrum der Wagner-Rezeption in der DDR zu fassen? Einerseits „Vorkämpfer des Sozialismus“ und anderseits autonomer Künstler mit einem alle Ideologien und Parteilichkeiten überwölbenden Gesamtkonzept für ein Musiktheater der Moderne?

Werner P. Seiferth Wagner wurde nicht geliebt, eher geduldet; er war „da“. Man konnte nichts gegen ihn unternehmen. Die Theater spielten seine Musikdramen, wenn sie diese irgendwie besetzen konnten, was übrigens oft schwierig war. Zu „äußeren“ Gedenktagen, etwa 1963 oder 1983, wurde er „bedacht“. Es gab aber keine großen offiziellen Förderungen wie zum Beispiel bei Bach, Händel, Beethoven. Es wurden keine Festreden und Festakte mit Grundsatzerklärungen von Politikern organisiert. Bei Bach-Jubiläen pflegte Wilhelm Pieck, bei Händel-Anlässen Otto Grotewohl aufzutreten. Das alles ist den Menschen in der DDR bei Wagner erspart geblieben. Er wurde vorwiegend auf die drei großen Opernhäuser in Berlin, Leipzig und Dresden bezogen. Das Theater Dessau spielte nach dem Mauerbau keine besondere Rolle mehr; auch die dortigen Wagner-Festspiele nicht mehr.

Opernnetz „Neu-Bayreuth“ um den Regisseur Joachim Herz wurde auf dem Grünen Hügel mehr oder weniger ignoriert. Andererseits sicherten Wagner-Sänger aus der DDR, zumal in den letzten Jahren des sozialistischen Staates, ganz wesentlich Ring- und andere Aufführungen in Bayreuth, München und weiteren Opernmetropolen. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären, rein ökonomisch?

Seiferth Nicht nur ökonomisch. Zunächst war Bayreuth eine „gesamtdeutsche“ Einrichtung, etwa bis Ende der fünfziger Jahre. Unmittelbar nach dem Mauerbau existierte Bayreuth für die DDR praktisch nicht mehr. Die Festspiele wurden erst dann wieder wahrgenommen, als Götz Friedrich dort inszenierte. Als er aber kurz danach im Westen blieb, war wieder Schweigen geboten. Der Sängeraustausch war, was Bayreuth betrifft, lange auf Theo Adam begrenzt. Als Otmar Suitner in Bayreuth dirigierte, kam Ludmila Dvoráková und Annelies Burmeister dazu, später Peter Schreier. Letzterer allerdings nur einmal im Zusammenhang mit einer Bayreuther Tristan-Gesamtaufnahme der Schallplattenindustrie. Joachim Herz ist ein separates Thema. Ich weiß nicht, weshalb man von ihm in Bayreuth keine Notiz genommen hat. Ebenso wenig, ob man in Bayreuth den Leipziger Jahrhundert-Ring überhaupt wahrgenommen hat. Fakt ist, dass dieser ja terminlich abgeschlossen war, ehe Patrice Chéreau in Bayreuth den seinen begonnen hat. Diese Distanz zu Herz ist im Nachhinein sehr zu bedauern. Einmal für ihn, der dort sicher gern gearbeitet hätte, aber auch für Bayreuth, das durch Herz interessante Arbeiten hätte bekommen können. Wolfgang Wagner allein weiß, woran das lag; aber gesprochen hat er darüber nie. Herz galt immer als „schwierig“. Vielleicht war das ein Grund. In den späten Jahren der DDR war der Sänger-Austausch staatlicherseits hauptsächlich eine ökonomische Frage. Absolut nachvollziehbar: Die Leute brachten Devisen.

Opernnetz Ihre Veröffentlichung ist 2012 erschienen. Welche Resonanz haben Sie seitdem erlebt. Zuspruch? Vielleicht auch Widerspruch, so bei früheren Wegbegleitern?

Seiferth Ich habe zu meiner großen Überraschung nur positive Resonanz erhalten, sowohl vom Rundfunk, in den Print-Medien und der Fachpresse. Ich nenne hier nur exemplarisch die Zeitschrift Wagner-Spektrum. Nicht minder relevant sind für mich sehr viele persönliche Zuschriften vorwiegend von Künstlern, so von Karl-Heinz Winkler, ehemals Sänger in Meiningen und Rostock, oder von Peter Gogler, ehemals Oberspielleiter, dann Intendant am Landestheater Dessau. Sie haben sich darüber gefreut, dass ihre Arbeit in dieser Form gewürdigt wurde. Es gab und gibt aber auch immer wieder Briefe, in denen sich „gewöhnliche“ Opernfreunde bedanken. Ich hätte Ihnen durch das Buch geholfen, heißt es da, alte Erinnerungen zu präzisieren. Dadurch habe ich – was mich nicht nur besonders freut, sondern mir auch sehr hilft – Ergänzungen und Berichtigungen zum Besetzungsteil gewonnen. Es gäbe bereits jetzt einige Ergänzungen und Veränderungen für den Fall einer Neuauflage des Buches. Es wird alles gespeichert. Wenn Sie mich heute nach meiner Bilanz fragen – ich bin zufrieden und dankbar. In dieser Eindeutigkeit hatte ich das nicht erwartet.

Die Fragen stellte Ralf Siepmann am 2.9.2014.

 


Welche Rolle spielte Richard Wagner
eigentlich in der DDR? Werner P.
Seiferth hat es in seinem Buch
untersucht.


Sänger und Dirigent Peter Schreier,
gebürtiger Sachse, war nur einmal in
Bayreuth - um eine Schallplatte
aufzunehmen.


Wilhelm Pieck war Mitbegründer der
SED und von 1949 bis 1960 der einzige
Präsident der DDR. Wagner blieb von
ihm verschont.


Joachim Herz schuf 1976 eine der
wichtigsten Ring-Inszenierungen. Von
Bayreuth wurde er schlicht ignoriert.