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BACKSTAGE

3 FRAGEN-3 ANTWORTEN


Paolo Bordogna

Paolo Bordogna studierte Gesang bei Roberto Coviello, Katia Ricciarella und Bianca Maria Casoni in Desenzano und Pesaro. Er ist Preisträger des Caruso-Wettbewerbs und gewann den Bastianini-Preis. Sein Repertoire umfasst mehr als 50 Rollen vom 16. Jahrhundert bis heute.


 

Backstage-Archiv

Das Backstage-Archiv ist alphabetisch nach den Nachnamen der Gesprächspartner geordnet.

 

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Leichtigkeit und Spaß auf der Bühne

Paolo Bordogna gilt als der Basso buffo unserer Tage und ist mittlerweile an den internationalen Tophäusern und bei Festivals regelmäßiger Gast sei es an der Mailänder Scala, der Bayerischen Staatsoper, der Washington National Opera oder der Oper Sydney. Jetzt hat Bordogna bei Decca das Soloalbum Tutto Buffo veröffentlicht, das ausschließlich Arien für Basso buffo enthält.

Opernnetz Wie sind Sie darauf gekommen, sich auf das Fach des Basso buffo zu spezialisieren und was sind die besonderen Herausforderungen dieses Stimmfachs? Wie hat sich daraus die Idee entwickelt, eine CD nur mit Basso-buffo-Arien zu produzieren?

Paolo Bordogna Meine Stimme wurde von Anfang an als Baritono brillante klassifiziert, eine aufgrund ihrer Farbe typisch italienische Stimme mit leichten Höhen und Koloraturen. Also habe ich von Beginn an Partien für Baritono brillante interpretiert wie beispielsweise Belcore, Dandini, Figaro in Il Barbiere di Siviglia. Dann, mit den Jahren, Studium und der natürlichen Entwicklung der Stimme habe ich auch Bassbariton-Partien wie den Selim gesungen oder Buffo-Rollen wie Bartolo, der die erste wirkliche Buffo-Partie war, die ich im Theater verkörpert habe. Es war Maestro Zedda der mich dazu gebracht hat, in dieser Partie zu debütieren, weil er einen Sänger wollte, der wirklich alle Töne singen konnte und nicht nur sprechen. Denn die Schwierigkeiten dieses Stimmfachs liegen leider vor allem in der Art und Weise, wie die Rollen geschrieben sind. Man tendiert oft dazu, in eine Art Sprechgesang zu verfallen. Wenn man über die Jahre seine Stimme nicht pflegt und sich diese Rollen nicht im Belcanto-Stil erarbeitet und entwickelt – das bedeutet: langer Atem und lange Phrasierung, gestützte Noten, Smorzati, Triller, Kadenzen ... – riskiert man, vor allem in diesem Repertoire die Stimme zu beschädigen. Ich habe immer geglaubt, was ich auch einmal in einem Interview mit Christa Ludwig – eine außergewöhnliche Frau, großartige Künstlerin und Lehrerin – gelesen habe: Sie hat erläutert, dass die Stimme nicht, wie manche Lehrer sagen, von Natur aus „kurz“ ist, sondern dass, wenn man auf die richtige Art und Weise studiert, man sich mit der Zeit einen größeren Stimmumfang und mehr stimmliche Sicherheit  erobern kann. Ich komme aus dieser stimmlichen Schule des italienischen Belcantos und bin der festen Überzeugung, dass die kontinuierliche Arbeit an der Stimme der einzige Weg ist, die Stimme gesund und geschmeidig zu halten. Dann gibt es noch den szenischen Aspekt. Da habe ich Glück, denn ich hatte immer eine große Begabung für die Bühne. Das hat mir immer sehr geholfen, da die Regisseure meine Interpretation von Baritono-brillante- oder Basso-buffo-Rollen immer sehr geschätzt haben. Ich hatte auch schon immer eine kesse Bühnenpräsenz und keine Schwierigkeiten, das Publikum zu unterhalten. Ich bin glücklich, wenn ich andere glücklich machen kann!

Die Idee zu dieser CD stammt von mir. Ich hatte die Idee, diese Charaktere zusammenzustellen und dabei von der neapolitanischen Schule der Opera buffo mit Vertretern wie Cimarosa oder Paisiello auszugehen, um bei der modernen italienischen Schule von Nino Rota anzukommen. Er ist – auch wenn er für seine Filmmusik für Fellini bekannt ist – ein begnadeter Opernkomponist. Und hier auf der CD wollte ich Il cappello di paglia di Firenze, sicher eines seiner Meisterwerke, aufnehmen. Decca wusste dieses Projekt sofort zu schätzen, sowohl weil es einen hohen kulturellen Wert hat, als auch weil zum ersten Mal ein großes Label in seiner Geschichte diesem Repertoire und Stimmtypus damit ein Arienalbum widmet. Ich denke, dass das Publikum die Opera Buffa immer schon zu schätzen wusste, auch wenn oft nur große Titel überlebt haben wie etwa L‘Elisir d'amore, Falstaff, Il Barbiere di Siviglia oder La Cenerentola.

Opernnetz Derzeit erlebt die Opera buffa eine wahre Renaissance. L’elisir d’amore, Falstaff oder Gianni Schicchi werden auf allen Bühnen dieser Welt aufgeführt. Ist die Opera buffa Ihrer Ansicht nach ausschließlich dazu da, sich zu amüsieren, oder steckt doch ein tieferer Sinn dahinter?

Bordogna Ich denke, dass es immer nötig war, im Theater Spaß zu haben. Theater ist auch Spaß, und man sollte keine Angst davor haben, im Theater zu lachen. Man sollte keine Angst davor haben zu lachen oder deshalb denken, dass vulgär ist, was man auf der Bühne sieht – es kommt immer darauf an, wie es gemacht ist. Ich denke, dass man vor allem heutzutage auch Leichtigkeit und Spaß auf der Bühne braucht. Auch wenn ich gleichzeitig der festen Überzeugung bin, dass die Opera buffa oft auch eine viel tiefere Bedeutung hat. Der Mensch hat in der Geschichte, auch in der Prosa – angefangen bei Plutarch – hinter der Maske des Lachens die größten Wahrheiten erzählt. Manchmal auf provokative Art und Weise. Ich sage manchmal, dass mehr Wahrheit und Bezug auf das reelle Leben in La Cenerentola als im Troubadour steckt. Ich weiß, das ist eine Provokation, aber ich denke das wirklich. Der Barbier von Sevilla enthält mehr Wahrheit, wenn ich an meine Rolle denke, den Bartolo – ein kultivierter Arzt, ein starker Mann, der aber ausschließlich am Geld und der Mitgift Rosinas interessiert ist. Wenn man den Barbier von Sevilla aufführt und den Bartolo als dummen, in Rosina Verliebten zeichnet, begeht man einen großen Fehler, denn dann fehlt die wahre Geschichte der Oper und die Beziehung zwischen den Charakteren. Ich kämpfe oft darum, den Strich des letzten Rezitativs zu öffnen, in dem der Graf Bartolo anbietet, ihm die Mitgift zu schenken, woraufhin Bartolo der Hochzeit zustimmt. Wenn man dieses Rezitativ aufführt, erklärt sich die Handlung, und die Beziehungen zwischen den Charakteren sind somit ausgeglichener. Es steckt also oft eine viel tiefere Bedeutung in komischen Opern. In Falstaff, wenn Falstaff in den Fluss geworfen wird, sagt er etwas, hinter dem meiner Meinung nach eine ganze Welt steckt: „Ich habe graue Haare. Alles verfällt.“ Ein trauriger Satz von enormer Schwere, was das Schicksal Falstaffs anbelangt. Es handelt sich um einen Moment, der im Leben von uns allen irgendwann kommt – nämlich der Moment, in dem wir uns bewusst werden, dass wir alt werden. Man muss nur sehen, wie man dem Altern begegnet, ob wie Falstaff gegen jede Wahrscheinlichkeit. Damit kollidiert man früher oder später mit der Mauer der Realität. Ich mache oft einen Witz und sage, dass diese Charaktere manchmal wirklich für ein erwachsenes Publikum sind, für ein Publikum, das keine Angst davor hat, sich in den Rollen selbst zu erkennen. Denn es ist nicht leicht, sich in Charaktere wie Don Magnifico, der wirklich sehr böse ist, oder in Bartolo, Falstaff, oder in der Verschlagenheit von Gianni Schicchi selbst zu sehen. Man braucht dafür eine gewisse Reife. Und im Scherz sage ich, dass man dafür ein erwachsenes Publikum braucht, das bereit ist, die Herausforderung anzunehmen, sich selbst im Spiegel zu betrachten. Das sind wirklich Charaktere, die das Publikum vor einen Spiegel stellen und manchmal vor unausweichliche Wahrheiten.

Opernnetz Ist der Basso buffo eine Rolle der Geschichte oder sehen Sie das Fach auch in der zeitgenössischen Oper?

Bordogna Ich denke, dass der Buffo nicht an die Geschichte gebunden ist. Der Begriff „Buffo“ ist allzu einschränkend. Charlie Chaplin hätte nie den Charlot und somit eine Art von Maske der Commedia dell'arte neu erfunden, wenn der Buffo an die Geschichte gebunden wäre. Eine Maske ohne Maske, die es geschafft hat, das tiefste Herz eines Menschen zu zeigen. Das lehrt uns auch Pirandello in seinem Essay Der Humor, in dem es auch darum geht, wie viel tiefer als karikaturhaft der Humor des Buffos eigentlich ist.

Ich habe, wie ich vorhin gesagt habe, auch ein modernes Stück von Nino Rota auf der CD aufgenommen, aber es sind noch viele andere interessante Komponisten vertreten, wie Mascagni, der für seine Cavalleria rusticana bekannt ist und von dem ich eine Arie aus Le maschere aufgenommen habe. Ein wahres Juwel, in dem Mascagni es mit seiner Musik gelingt, das Stottern der Rolle auf außergewöhnliche Art und Weise zu verdeutlichen. Ich glaube fest an das Folgende: Der Mensch braucht es, über sich selbst zu lachen. Was wiederum eine große Selbstkenntnis erfordert und folglich eine starke Erforschung unserer Selbst und psychologische Selbstbeobachtung. Und das hilft uns, zu wachsen und bessere Menschen zu werden.

Die Fragen stellte Michael S. Zerban am 26.7.2015

 


Das Album Tutto Buffo von Paolo
Bordogna ist jetzt auch in Deutschland
erhältlich.


Paolo Bordogna gehört längst an
die Weltspitze. Hier feiert er mit
Sopranistin Katia Ricciarelli.


Ich bin glücklich, wenn ich andere
Menschen glücklich machen kann
- ein deutliches Credo des Baritons.


Mit Olga Peretyatko auf der Bühne -
das gehört wohl für viele Sänger
inzwischen zum Schönsten. Bordogna
lag ihr schon zu Füßen.


Seine erste wirkliche Buffo-Rolle:
Bordogna als Bartolo auf der Bühne.