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Fakten zur Aufführung 

DAS LIEBESVERBOT
(Richard Wagner)
3. Januar 2015
(Premiere am 18. Dezember 2014)

Teatro Verdi Trieste


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Eine spritzige „Jugendsünde“

Ich irrte einst und möchte es nun verbüßen. Wie mach ich mich der Jugendsünde frei?“ Mit dieser Widmung auf der Partitur an Ludwig II von Bayern genierte sich Richard Wagner später ziemlich über seine, als 22-Jähriger komponierte Frühoper Das Liebesverbot. Und tatsächlich: seine Opéra comique, sein zweites musikdramatisches Werk nach Die Feen blieb nach der katastrophalen Uraufführung 1836 in Magdeburg immer ein Sonderling und ist auf den Spielplänen der Opernhäuser eigentlich nicht zu finden. Man würde beim ersten Hinhören auch kaum glauben, dass das Werk vom großen Bayreuther Meister stammt, denn es klingt im besten Stile eher nach Weber, Lortzing, Marschner, aber auch Rossini, Donizetti und Auber. Wagner arbeitet aber bereits hier mit Erinnerungs- und Leitmotiven. Auch das Dresdner Amen, das er später im Parsifal voll ausformen wird, ist herauszuhören. Aber die Oper gelang ihm scheinbar doch so gut, dass kein Geringerer als Giacomo Meyerbeer die „Jugendsünde“ sogar in Paris präsentieren wollte.

2013 feierte das Werk eine Renaissance in Bayreuth und anschließend in Leipzig, eine Koproduktion, die jetzt in Triest im Teatro Verdi als Inaugurazione der neuen Saison mit einigen Strichen zu erleben ist. Es fußt auf Shakespeares Komödie Maß für Maß, wobei Wagner selbst das Libretto mit einigen Änderungen zur Vorlage verfasste: In Sizilien verbietet der deutsche Statthalter nicht nur jede Belustigung, sondern auch jede Annäherung der Geschlechter. Der junge Edelmann Claudio soll als erster wegen des Verstoßes gegen das Liebesverbot hingerichtet werden. Seine Schwester Isabella, eine hübsche Klosternovizin, bittet um Gnade beim Statthalter. Dieser, von ihrer Schönheit entflammt, will die Begnadigung für eine Liebesnacht mit ihr durchsetzen. Doch Friedrich wird mit List entlarvt und muss sein eigenes Gesetz zurücknehmen.

Die späteren wagnerschen Lebensthemen, der Konflikt zwischen Macht und Liebe, Sex und Entsagung, sind zwar schon alle angelegt, werden aber im Gegensatz zu seinen Spätwerken mit Leichtigkeit und Humor, jugendlicher Frische und fast südländischer Leidenschaft abgehandelt. Und es gibt keinen hehren Liebestod, auch keinen Weltenbrand, sondern man staune: ein wirkliches Happy End.

Aber wie nähert man sich solch einem „komischen“ Werk, und wie inszeniert man es? Ganz einfach, indem man es Ernst nimmt. Aron Stiehl hat das übernommen, damit gewonnen und sich auf den Jux voll eingelassen. Alles ist spritzig, witzig, fröhlich und frivol inszeniert. Der Regisseur führt mit leichter Hand Regie und würzt die Handlung mit einigen Slapsticks. Akzentuiert und ausgefeilt ist die Führung des Chors, der sehr homogen und sicher singt, die Einstudierung besorgte Paolo Vero, und der vielschichtig unter anderem als Hippies, Tunten und Marktweiber ausstaffiert ist. Die fantasievollen Kostüme stammen von Sven Bindseil. Die Szene von Jürgen Kirner ist dreigeteilt: Mit einem wildwuchernden tropischen Regenwald wird das Reich der verbotenen Liebe und Lüste symbolisiert, mit den deckenhohen Aktenspintwänden voller Nummern wird die ordnungsliebende Welt des Statthalters Friedrichs dargestellt und mit einem schlichten weißen Raum mit Kreuzsymbolik die Klosterwelt. Eine quicklebendige Rehabilitierung eines rundum gelungenen, jugendhaften Meisterwerks.

Gesungen wird leider in sehr schlechtem und kaum verständlichem Deutsch. Am wortdeutlichsten erlebt man noch Katrin Adel als junge Novizin Isabella, die vielschichtig und aufregend singt und den Spagat dieser Partie zwischen Dramatik und Lyrik wunderbar schafft. Ihre Ordensschwester Mariana wird von Francesca Romana Tiddi mit innigem Mezzosopran verkörpert. Francesca Micarelli singt die Dorella wie Madonna, eine Art Popikone der Opernbühne, in knappem Leopardenkostüm sehr flatterhaft und leicht. Ventseslav Anatasov ist der stocksteife und bis oben hin zugeknöpfte Statthalter Friedrich. Er spielt und singt ihn mit großer Bühnenpräsenz, einer Portion Selbstironie inmitten eines fantastisch bunten, wunderbar leicht durchchoreographierten Volkes. Er ist skurril und gefährlich zugleich und schon mehr eine Art Beckmesser als ein Amfortas oder gar Wolfram. Der trotz einer Erkältung auftretende Christian Hübner singt den Brighella, das buffoneske Spiegelbild von Friedrich, sehr mulmig und kann seine etwas aufgesetzte Komik nicht über den Graben bringen. Maécio Gomes präsentiert den schlauen Intriganten Luzio mit hellem, höhensicherem Tenor. Mikheil Sheshaberidze ist hingegen ein blasser, ungelenk agierender Claudio mit weichem, aber sehr dünnem Tenor.

Oliver von Dohnányi am Pult des Orchesters des Teatro Verdi schlägt präzise, korrigiert sofort, vermag, alles flüssig und straff klingen zu lassen und eine durchsichtige, ungemein beschwingte Interpretation zu erzeugen.

Dem Publikum hat es offensichtlich wenig gefallen. Bei dieser Reprise sind auffallend viele, leere Plätze im Auditorium zu finden, auch spendet man sehr lauen und bald enden wollenden Applaus.

Helmut Christian Mayer







Fotos: Fabio Parenzan